Stadtchronik Seelow
1933 bis 1945 Auf dem Weg zum Verderben von Michael Schimmel Am 8. März 1933 wurde auf dem Landratsamt du dem Rathaus neben der Reichsflagge Schwarz-Weiß-Rot die Hakenkreuzfahne gehisst. Landrat Dr. Hildebrandt (SPD) hatte seine Zustimmung dazu verweigert und ließ die Nazifahne wieder herabholen. Seine Suspendierung vom Dienst folgte auf dem Fuße. Einige Wochen später hat er sich erschossen. Mit ihm hatte die neue Macht in Seelow ihr erstes Opfer gefunden. Wie man mit politischen Gegnern umging, zeigte eine Aktion am 8. August 1933, bei der im Kreisgebiet 62 Personen wegen angeblichen Hoch- und Landesverrats verhaftet und in das KZ Sonnenburg gesperrt wurden. Im Haus des Kaufmanns Georg Perlwitz hatte die NSDAP am 11. Juli 1933 ihre Kreisgeschäftsstelle eingerichtet. Der Platz vor dem Amtsgericht und heutigem Rathaus hieß nun “Adolf-Hitler-Platz”. Straßen wurden in “Hermann-Göring- Straße” und “Heinrich-Himmler-Straße” umbenannt.
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Erst zu Weihnachten 1935 durfte er nach Seelow zurückkehren, aber keine Amtsgeschäfte ausüben. In den folgenden Monaten sah er sich mancherlei Drangsalierungen ausgesetzt und wurde sogar in Schutzhaft  genommen. Nach mehreren Stationen der Haft fragte man ihn, unter welchen Bedingungen er die Pfarrstelle in Seelow aufgeben würde. Er verlangte, dass kein Gemeindeglied mehr verfolgt werden dürfe und dass sein Nachfolger auch Mitglied der Bekennenden Kirche sein solle. Daraufhin versetzte man ihn nach Brodowin in der Uckermark. Sein Nachfolger, Pfarrer Rudolf Kehr, setzte seine Arbeit in Seelow fort. Auch er bekam bald Schwierigkeiten mit den Machthabern, hielt aber standhaft an seiner Überzeugung fest. Als die Nazis in Seelow mit ihren Einschüchterungsversuchen nicht weiter kamen, wurde im August 1937 der Landrat ausgewechselt. Für den Herrn von Nassau kam Landrat Kreuzberger. Die sogenannte Reichskristallnacht vom 9. auf den 10. November 1938 fand in Seelow einen Tag später statt. Frankfurter SA- und SS-Leute verwüsteten das Haus der Familie Reissner und richteten weitere Schäden an. Die Seelower SA-Leute hatten sich geweigert, den Anordnungen ihrer Führer zu folgen. Im April 1938 fand eine Volksabstimmung statt, bei der von 2084 Stimmberechtigten 2082 für Hitler votierten. Diejenigen, die mit nein gestimmt hatten, wurden bekannt und von einer verhetzen Meute durch die Stadt getrieben. Mit der Eingemeindung von Zernickow im Jahre 1939 konnte Seelow seine Einwohnerzahl bei 3.115 stabilisieren. Das kleine Dorf gehörte kirchlich schon lange zu Seelow und konnte sich als Stadtteil jetzt einer Wasserleitung und sogar einer Straßenbeleuchtung erfreuen. Bei Kriegsbeginn am 1. September 1939 bekam die Seelower Bevölkerung schon die ersten Einschränkungen zu spüren. Lebensmittel wurden zugeteilt. Die ersten Meldungen von gefallenen Soldaten gingen ein. Das Krankenhaus wurde in ein Hilfslazarett umgewandelt. Die meisten Männer aus der Stadt waren in den Krieg gezogen, die einen freiwillig, die anderen nicht. An der sogenannten Heimatfront wurden Opfer eingesammelt, wie über das “Winterhilfswerk”, über Schrottsammlungen bis zum Abliefern der Glocken als Materialspender für die Rüstungsindustrie. Nach 12 jähriger Amtszeit verließ Bürgermeister Dr. Flaghaar die Stadt. Das Amt wurde kommissarisch von dem pensionierten Lehrer Karbe verwaltet. Inzwischen häuften sich die Gefallenenmeldungen von den Fronten. Gerade in der Schlacht von Stalingrad kämpften viele Soldaten aus Seelow und dessen Umgebung. Von den meisten hörte man bald nichts mehr. Trotz des Krieges verlief das Leben in Seelow, solange die Stadt nicht direkt betroffen war, mehr oder weniger normal. Etwas Abwechslung in den grauen Kriegsalltag brachte der Brand des Dachstuhls vom Landratsamt am 22. September 1942. Dabei wurde auch die Uhr im Dachtürmchen zerstört, weshalb man die Kirchturmuhr nach langer Zeit wieder in Ordnung brachte. Auf ihrem Weg zur Reichshauptstadt überflogen immer öfter die Bomberpulks der Alliierten auch Seelow. Bomben fielen nicht, weil es hier nichts Kriegswichtiges zu zerstören gab. Im März 1943 warf ein britisches Flugzeug Propagandaflugblätter ab, die von Schülern alle eingesammelt werden mussten. Mit Durchhalteparolen wurde die Bevölkerung zu immer neuen Anstrengungen angespornt. Im Lazarett kamen laufend neue Verwundete an, die von der NS-Frauenschaft, der Evangelischen Frauenhilfe und von BDM-Mädel versorgt und betreut wurden. Aus den luftkriegsgefährdeten Ballungszentren, besonders aus Berlin, schickte man Frauen und Kinder auch nach Seelow, um sie vor den Bombenangriffen in Sicherheit zu bringen. Als die Front näher an die Oder rückte, kamen die ersten Flüchtlingstrecks durch die Stadt, entlang der alten Reichsstraße 1. Damit kündigte sich das Ende der Naziherrschaft an, das besonders für Seelow ein Ende mit Schrecken werden sollte. Als die Rote Armee Anfang Februar 1945 an der Oder stand, wurden auch in den Zimmer des Hotels “Schwarzer Adler” Verwundete gepflegt. Der Krieg mit all seinen Schrecken hatte Seelow erreicht. Am 26. Februar 1945 erging der Räumungsbefehl, und über 3000 Seelower mussten bis Ende März ihre Stadt in dem bevorstehenden Kampfgebiet verlassen. Nur 152 ausgewählte Personen durften zurückbleiben. Am 16. April 1945 begann mit der Erstürmung der Seelower Höhen der Angriff der Roten Armee auf Berlin. Diese Schlacht, mit der das endgültige Ende des Nationalsozialismus eingeleitet wurde, machten den Namen der kleinen Ackerbürger- und Kreisstadt mit einem Schlage weltbekannt. Zuvor wurde schon am 11. April von der Wehrmacht der Kirchturm gesprengt, um der gegnerischen Artillerie keine Einschießmöglichkeit zu bieten. Dabei wurde auch das Kirchenschiff schwer beschädigt. Der unmittelbare Kampf um die Stadt, die am 6. April 1945 zum Oststützpunkt innerhalb des zweiten Verteidigungsstreifens der Großkampf-Hauptkampflinie erklärt wurde, begann am Mittag des 16. April. Zum Kampfkommandanten war kurz vor der Offensive Hauptmann Wartenberg eingesetzt worden, dessen Gefechtsstand auf dem Gutshof im Südwesten Seelows lag. Die Stadt hatte man zur Rundumverteidigung eingerichtet, wobei im westlichen Bereich zwei Volkssturmkompanien eingesetzt wurden. In den beiden östlichen Sektoren wurde Seelow von je einer 130 Mann starken Kompanie des 76. Panzergrenadierregiments der 20. Panzergrenadierdivision verteidigt. Bereits am Abend des 16. Aprils war die Lage sehr kritisch. Um Mitternacht wurden Seelows Verteidiger dem Hauptmann Rosenke unterstellt und als “Kampfgruppe Rosenke” bezeichnet. Am nächsten Morgen standen zur Verteidigung des Ortes nur noch ca. 3oo kampffähige Soldaten und einige Volkssturmmänner zur Verfügung. Letztere sollten die Panzersperren an den vier Ortsausgängen besetzen. Mit dem Vordringen der Russen auf die Höhen nördlich von Seelow war das Schicksal des Oststützpunktes jedoch besiegelt. Im Laufe des 17. April erlebte die Stadt mehrere Luftangriffe, die verheerende Schäden anrichteten. In den Stellungen östlich der Stadt und um den Gefechtsstand im Südwesten des Stadtgebietes wurde noch gekämpft, als sich am nördlichen Ortseingang bereits die ersten Sowjetpanzer zeigten. Am 18. April erloschen die Kämpfe im eingeschlossenen Seelow. Die Soldaten, die den erbitterten Kampf überlebt hatten, entkamen in Richtung Diedersdorf und stellten sich hier erneut den massenhaft anstürmenden Russen Seelow bot nach den Kämpfen den wenigen hier verbliebenen Bewohnern ein Bild des Schreckens. Das Rathaus, die Gasthäuser “Goldene Kugel” und “Norddeutsches Haus” sowie andere Häuser um den Markt waren ausgebrannt. Ebenso erging es der Kirche nach dem Einschlag einer Brandbombe. Das Pfarrhaus war halb weggerissen, der Pfarrgarten dahinter verwüstet. Tage danach brannten immer wieder Häuser ab, eine Begleiterscheinung fortlaufender Plünderungen. Nur etwa 50 Menschen lebten noch hier. Ende 1945 waren es schon 1000, die eine Unterkunft brauchten und mit Lebensmitteln versorgt werden mussten Am 11. November 1945 wurde auf dem ehemaligen Verschönerungsberg ein von dem sowjetischen Bildhauer Lew Kerbel geschaffenes Siegesdenkmal eingeweiht. An seinem Fuße liegen 10.000 Sowjetsoldaten von mindestens 33.000 begraben, die beim Sturm auf die Seelower Höhen ihr Leben ließen. 1972 fügte man dieser Anlage aus propagandistischen Gründen eine Gedenkstätte hinzu, in der heute ausführlich über die traurigen Ereignisse des Jahres 1945 informiert wird. Die um Seelow gefallenen deutschen Soldaten liegen auf dem Stadtfriedhof begraben. Jahre später wurde auch diese Kriegsgräberstätte würdig hergerichtet. Das tägliche Leben in Seelow normalisierte sich nur langsam. Notdürftig wurden Häuser und Wohnungen repariert. Als äußerst schwierig gestaltete sich die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln. Zum Aufbau einer neuen Stadtverwaltung bestimmte die sowjetische Ostskommandantur Herrn Rieseweber als Bürgermeister. Die erste Stadtratstagung fand am 18. September 1945 statt. In jenen Tagen ging es in erster Linie um die Bodenreform, die unter Aufsicht des sowjetischen Kreiskommandanten auch in Seelow durchgesetzt wurde. Das ehemalige Kampfgebiet bot noch immer ein chaotisches Bild. Zerschossene Panzer und Geschütze, Schützengräben und Unterstände sowie Unmengen an Munition und vermintes Gelände umgaben die Stadt. Mit Hilfe sowjetischer Bautruppen konnten Instandsetzungen an den Versorgungsnetzen durchgeführt werden. Am 1. Oktober 1945 wurde der Schulunterricht und auch der Postverkehr zu den einzelnen Orten des Kreises wieder aufgenommen.
Seelow hatte 1933 und auch die ganze Nazizeit hindurch etwa 3.100 Einwohner. Damals wurde das Trinkwassernetz fertiggestellt und im gleichen Zuge die Brunnen in den Straßen zurückgebaut. In den Vorkriegsjahren war Seelow eine Hochburg der Bekennenden Kirche, deren Hirtenbrief trotz Verbots am 8. Juni 1935 von der Kanzel der Stadtkirche verkündet wurde. Aufrecht vertrat schon 1934 der Prädikant Johannes Pecina seine Ansichten offen vor einer großen Anhängerschaft. Die nazitreuen “Deutschen Christen” versuchten daraufhin, in Seelow eigene Pfarrer zu etablieren. Dies führte dazu, dass der Kirchenkampf in Seelow besonders schwer entbrannte. Pfarrer Pecina wurde verhaftet und im Mai 1935 sogar aus dem Regierungsbezirk Frankfurt (Oder) ausgewiesen.
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